Muse.ums.Eck…

Posted on

Viel zitiert, oft genannt. Thema „Muse“.

Wird ja eher den „Großen“ zugesprochen. Aber warum sollte man sein Licht unter den Scheffel stellen und nicht auch als der „einfache Typ von Nebenan“ jemanden haben, der einen inspiriert? Selber Schuld, wenn man sich dessen beraubt, würde ich meinen.

Vielleicht sei an dieser Stelle noch kurz erklärt, was man so allgemein als Muse zu verstehen hätte.

„…Eine Muse (griechisch Μοῦσα) ist eine Person, die einen anderen Menschen zu kreativen Leistungen anspornt oder inspiriert. Oft finden sich Musen, vor allem Frauen, im Umfeld von Künstlern.
Musen werden seit der Zeit der Griechischen Mythologie als göttliche oder genialische Inspirationsquelle für Künstler genannt (Musenkuss; von der Muse geküsst). Ursprung ist die antike Vorstellung, dass Ideen (das Denken) sich nicht von selbst entwickeln, sondern von Göttern (oder eben Musen) von außen eingegeben werden
….“

und

„…In der Neuzeit begann man, auch tatsächliche Personen als Musen zu bezeichnen – meist Freundinnen von Künstlern, vereinzelt auch Männer. Musen inspirieren durch ihren Charakter, ihre Ausstrahlung, ihre menschliche Zuwendung oder durch eine erotische Beziehung…“

sagt Wikipedia.

So! Nun lassen wir das erst einmal ein bisschen sacken. Und schauen uns mal die Essenz der Sache an. Inspirationsquelle und die „Eigenschaften“, die für Inspirationen als die passenden genannt werden.

Und, komm, gib es zu, dass DEINE erste Inspiration beim Überfliegen beim Passus „Erotische Beziehung“ gezündet hat. Da nichts minimierender ist als der Rechtfertigungsversuch, erspare mir Deine Begründung, warum es Dein erster Gedanke war. Und ich erspare Dir die Erklärung, dass es eben NICHT die erotische Komponente war oder ist, wenn mich die Muse küsst. Nichts ist schwerer zu revidieren als der erste Eindruck. Und im Zusammenhang mit Aktfotografie erntet man eh nur gönnerhaft süffisantes Grinsen, wenn man erklärt, dass die Erotik dabei keine Rolle spielt. Ja, nee, is klar. Doppelzwinker.

Aber reden wir mal Tacheles. Und Tacheles war im Übrigen kein Z-Promi vom Olymp oder verkannte Halbgottbrut aus einem Seitensprung des Zeus. Aber das nur am Rande.

Zur Sache, Schätzchen, quasi. Wenn ich Revue passieren lasse, was mich sagen lässt, dass ein Modell eine Muse war, dann der Zustand der „gleichen Welle“. Frequenz und künstlerischer Output spielen dabei ein große Rolle. Auch wenn ich in der Rückschau echte „One-Hit-Wonder“ dabei hatte, waren es eine Handvoll Damen, die mich und meine Fotografie maßgeblich katalytisch beeinflußten.

An dieser Stelle sei vielleicht auf die olympische Auswahl meiner Musen verweisen, denn schaust Du hier, siehst Du mehr.

War es ihr Charakter? Eindeutig ja. Wesentlicher Charakterzug war der unvoreingenommene Zuspruch in Sachen Loyalität. Was ich damit meine? Eine Mischung aus dem wertfreien Grundvertrauen der Sache gegenüber und der Selbstwahrnehmung in Bezug auf die gemeinsame Arbeit. Klingt Dir zu abstrakt? Ist es auch, denn so ein, simpel durch zwischenmenschliche „Vibes“, produzierter Flow, ist schwer in Worte zu fassen.

Manch einer spricht vom gleichen Zustand wie Verliebtheit. Verliebtheit im Rahmen der Sache. Manchmal Schockverlieben, manchmal Zünden, Schwelen, Auflodern und helles Brennen.

Klingt für Dich nach Nabelschau? Und genau das ist es, wenn man sich in der Form in die Karten schauen lässt und die eigenen Erfahrungen und Wahrnehmungen schildert. Was Du als Leser damit anfängst, obliegt einzig und allein Deiner weiteren Vorgehensweise.

Meine Vorgehensweise ist weiterhin, nicht zu suchen. Sondern, zu finden. Denn oftmals war der aktive Versuch, diesen Zustand zu erreichen, mit fotografischem Mittelmaß entlohnt. Das ist wie das Suchen nach dem Kessel voll Gold am Ende eines Regenbogens. Immer, wenn du Dich der vermeintlichen Stelle näherst, ist sie wieder woanders.

Ist es die Ausstrahlung des Modells? Definitiv. Oder könntest Du dich von jemandem inspirieren lassen, dessen Ausstrahlung die gleiche Amplitude wie Dänemark im November hat. Da sind renommierte Modelle angekommen, die ich gleich wieder weggeschickt habe. Denn deren Selbstbild wollte ich nicht fotografieren. Ich will meine Wahrnehmung des Modells ins Bild bringen. Doch dazu gehört der Mut, sich von mir „betrachten“ zu lassen und Dinge sehen zu lassen, die nur ich sehen kann. Nicht weil ich X-Men-Talente hätte. Sondern einfach nur, weil ich eben so betrachte, wie ich es tue.

Alleine dieses Thema ist und war immer ein großes bei jedem Workshop. Deshalb werde ich dazu mal gesondert etwas „zu Papier“ hier bringen.

Zur Ehrenrettung eines Modells sei an dieser Stelle gesagt, dass sie ihre anfängliche „Alle-Modelle-machen-das-so-Attitüde“ abgelegt hatte nachdem wir uns zwischenmenschlich begegneten …..ja, ich höre wieder das Raunen ….und die Zusammenarbeit auf einem komplett anderen Niveau verlief.

Nichts ist absurder als die Wahrheit, deshalb hier kurz die Geschichte, die dahinter steckt.

Swetlana , eines DER Modelle, welches eine Zeitlang in zahlreichen Fotoforen und -Communities überall zu sehen war. Selber sehr bedacht auf hochwertige und künstlerisch inspirierte Arbeiten, war sie aber dennoch dem Mammon zugetan und jeder Hans und Franz, der die Gage zahlte, nahm den Deckel vom Objektiv. Davon fühlte ich mich derart provoziert, dass ich ihr vorschlug, endlich mal vernünftige Bilder mit ihr zu machen. Wenn sie sich denn trauen würde.
Selbstbewusst wie es eben nur eine Russin ihres Kalibers sein konnte, sagte sie zu. Den Typen aus Braunschweig wollte sie auf die Probe stellen. Durch meine wiederkehrende Ablehnung der von ihr vorgeschlagenen Motive, drohte der Termin zu kippen und letztlich nur der Umstand, dass ich sie als Modell für einen meiner Workshops buchte, ließ sie wenigstens aus kommerziellen Gründen den Weg von Köln nach Braunschweig finden. Natürlich mit zahlreichen Warnungen anderer Fotografen im Gepäck, die ihr das schlimmste fotografische Szenario zeichneten, welches sie je erlebt hätte.

Wie eine Schneefräse im frischen meterhohen Pulverschnee pflügte sie im obligatorischen sibirischen Standarddress – dem Wolfspelzmantel – durch die Passantenmenge. Sichtlich skeptisch und sehr wortkarg ließ sich die Zarin am Bahnhof von mir aufsammeln und der Weg führte uns direkt ins Studio, wo schon die Teilnehmer warteten.

Wie so üblich bei einem Workshop mimte ich den Vorturner und demonstrierte, begleitet von der Routine Swetlanas – das Zugpferd bei Workshops in dieser Zeit – allerlei technische und bildnerische Herangehensweisen. Mit immer diesem zweifelnden Blick der Dame von östlich des Urals. Die ablehnende Kälte Sibiriens konnte niemanden so gut in einen Augenaufschlag packen wie sie. Jegliche Gagkanone verpuffte und der professionellen Arbeitsweise von ihr war es zu verdanken, dass sie alle Teilnehmer glücklich machte.

Mich hingegen ließ sie , wie man so schön sagt, am ausgestreckten Arm verhungern.

Nun beeindruckte mich das nur peripher und triggerte meinen Jagdtrieb. Die Festung nehme ich ein. Wohlwissend, dass ich bei ihr mein höchstpersönliches Waterloo erleben konnte, war ich wie ein Flitzebogen gespannt, ob es mir am folgenden Tag gelingen sollte, diese titanharte Nuss zu knacken. Ich hatte die Klappe ordentlich aufgerissen und ihr Netzwerk geiferte danach, mich scheitern zu sehen.

Noch wortkarger brachte ich sie nach getaner Arbeit zu ihrer Pension. Dass sie nicht vorgezogener Abreisemöglichkeit fragte, werte ich insgeheim schon mal als Etappensieg.

Klischeebehaftet wie man im Zusammenhang mit jungen russischen Damen ihres Maßstabes denken könnte, wäre das Ritz die standesgemäße Unterbringung gewesen. Doch dort erwischte sie mich eiskalt in meinem Schubladendenken und war wahrhaftig angetan von dem Zimmer. Und der Dame, die das Zimmer für die nacht vermietete. Gnadenlos ungeniert und brüllend neugierig, fragte sie uns nach unserem Beziehungsstaus und ob sie die dicken Handtücher ins Bett legen solle. Vereint in betretenem Schweigen starrten wir wie ertappte Kinder auf unsere Schuhspitzen und schüttelte lediglich den Kopf. Was die Dame mit einem Schulterzucken quittierte und sich mit dem Kommentar :“ Dann wohl nicht!“ von dannen zog. Als ich den Blick zu Seite wagte, sah ich das erste Mal etwas anderes als die Swetlana, wie ich sie von den Bildern kannte. Eine Mischung aus verstörter Unsicherheit und dem kleinen amüsierten Hilferuf zuckte um ihre Augen und Mundwinkel. Nur um gleich wieder von einem tundrakalten Blick verjagt zu werden.

Nachdem wir kurz den Ablauf des morgigen Tages abgesteckt hatten, zog ich von dannen. Und auf meinem Weg aus der Pension kam ich an einer offenen Tür vorbei, wo ich einen kurzen Blick auf die Vermieterin ergatterte, die mit einem ziemlich skurrilen Menschen an einem Tisch saß und Uno spielte. Quentin Tarantino hätte sich diese Szene nicht besser ausdenken können.

O.k., jetzt müßte die Geschichte damit weitergehen , Fotos gemacht. mäßig gut und Modell ab nach Hause. Doch das Spukhaus mit dem „Fremdenzimmer“ hatte andere Pläne. So klingelte morgens um 6 Uhr bei mir das Handy und eine sichtlich hilfsbedürftige Swetlana sagte nur einen Satz, bevor sie gleich wieder auflegte.

„Bitte, hol mich hier weg!“

Normalerweise stelle ich gerne Fragen, aber in dem Moment war Handeln das Gebot der Stunde. Keine 10 Minuten später stand ich in der Pension vor ihrer Zimmertür, die sofort aufging und mir eine verstörte junge Russin klarmachte, dass sie eine beschützende Umarmung brauchte und das sofortige Verlassen der Örtlichkeit ohne Worte das einzig Richtige für den Moment war.

Mit wehenden Fahnen waren wir davon und mit jedem Meter, mit dem wir uns von der Pension entfernten entspannte sich Swetlana zusehends. Und in den Augen war nur diese Bitte abzulesen , da nicht wieder hinzumüssen und dass ich mich um sie kümmern müsste.

Was war geschehen? Sie berichtete, dass kurz nach meinem Gehen am Abend die Dame von der Pension noch einmal vorbeikam und fragte, ob sie noch etwas für sie tun könne. In dem daraus entstehenden Smalltalk stellte sich heraus, dass die Dame 50 Jahre früher als Modell für ortsansässige Bekleidungsgeschäfte zu tun hatte und sofort hatten die beiden Ladies ein gemeinsames Thema.

Das ist Dir nicht spektakulär genug. Die alternde Diva mit der Pension ist es sicher nicht. Aber der skurrile Mitbewohner, der mitten in der Nacht halbnackt um Einlass bat, um mit ihr (Swetlana) zu duschen. Er würde immer abends in dem Zimmer duschen. Höflich wie er war, akzeptierte er die geschlossene Tür. Allerdings entschied er sich, mit einem Stuhl vor der Tür sitzend, alles mögliche zu erzählen. Da von jenseits der Tür nichts kam, bewog es ihn erst nach einer monologisierten Stunde, zu verschwinden.

Keine Ahnung, warum Swetlana nicht schon nachts angerufen hatte, wundert mich bis heute. Nun saß sie halb im Schlafanzug in meinem Auto und wir fuhren zu mir, denn unser angedachtes Shooting lag noch einige Stunden entfernt vor uns.

Sichtlich erleichtert trat sie in meine Wohnung, als würden wir uns schon ewig kennen. Fern ab von dem Bild, welches diese Frau auf Bildern transportiert. Fernab von der eiskalten sibirischen Fürstentochter. Stand sie im Pyjama in meiner Küche und klammerte sich an den Becher mit heissem frischen Kaffee..

Das ist der Stoff aus dem Filme gemacht werden, denken sich die Romantiker. Das ist der Beginn von zahlreichen Pornofilmen, denken die Pragmatiker. Und wenn ich sage, dass ich nicht mal eine Millisekunden auch nur den Ansatz eines Gedanken dieser Art hatte, winken alle ab.

Die trotz ihrer 1,65 dennoch so groß wirkenden russischen Kante, war bei mir am Küchentisch bald kleiner als der Becher, aus dem sie trank. Und beinahe beschämt, versuchte sie mich davon abzuhalten, ihr den einen oder anderen weiteren Gefallen zu tun. So hielt sich mich an, nahm meine Hand und sagte nur ein Wort:

„Danke!“

Der Rest ist Geschichte.


Das Shooting lieferte Bilder, die fernab von dem waren, was sie sonst im Portfolio hatte. Und viele ihrer im Windschatten fliegenden Knipser aus der Szene auf die Barrikaden brachte. Neben öffentlicher Schmähung der Ergebnisse, bekam ich Emails, die vor blankem Hass nur troffen. Man solle mich verklagen für diesen bildnerischen Rufmord an „ihrem“ Modell, an ihrem heiligen Kalb. Blasphemie! Auf die Fresse bräuchte ich. Widerlich. Menschenverachtend. Abstoßend und sexuell nötigend.

Mittlerweile ist sie eine renommierte Fotografin mit einem extrem guten Auge. Mit 35 in der Form ihres Lebens, Mutter von zwei Kindern und eigentlich wäre es ein Versuch wert, sie nochmal zu einem Shooting einzuladen. Oder man beläßt es einfach dabei. Und bewahrt die Magie dieser Momente.

Und wenn ich so drüber nachdenke. Sie war damals 19 ! Verdammt lang her.

Und wenn Du noch weiter drüber nachdenken magst. Dann überlege, welche Komponente denn diejenige ist, die sie zur Muse des Moments gemacht hatte.

P.S.:Vielleicht mache ich noch mal eine Art Gesamtschau der Damen, die für mich besondere Erwähnung fänden. Lass mich wissen, wenn Du daran Interesse hast.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert