Komm wie du bist…

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„Nun sag doch endlich mal, wie genau Du immer auf deine Ideen kommst! Und wie du die Leute dazu kriegst, mitzumachen! Aber diesmal wirklich so, wie es war!“

Sollte ich an meiner eignen „credibility“ arbeiten, wenn ich die Dinge so erzähle, wie sie sich zugetragen haben, aber die Leute denken, ich lasse mir nicht in die Karten schauen?

Nichts erscheint so unglaubwürdig wie die Wirklichkeit. So oder so ähnlich formulierte es Karl May wohl mal. Oder war’s Dostojewski? Und so saßen mir desöfteren die Teilnehmer meiner Fotoworkshops gegenüber, wenn es um das Thema Ideenfindung und Gelegenheiten ging, und warteten immer auf die große Auflösung der Mysteriums. Doch hatte sie gerade genau das vernommen. Nämlich wie es zu Shooting kam und wie sich dabei die Idee formierte.

So auch bei dieser Serie, die ihren Namen quasi wie aus dem Äther verliehen bekam. Denn das Radio schenkte mir die Inspiration. Gerade quengelte sich Kurt Cobain das allseitsbekannte „Come as you are“ aus der geschundenen Grunge-Kehle, da machte es bei mir im Hirn „Bssssszzzzzzzzz!“. Der elektrisierende Funke der Eingebung ploppte wie das Atömchen auf der Schulter von Mickys Aleinfreund Gamma in meinen visuellen Kordex auf.

„Komm wie du bist!“. Eine meiner Standardantworten auf die Frage, was man zu einem Shooting bei mir mitbringen solle. O.k., einen Fotografen, der das Thema „Aktfotografie“ weithin sichtbar im Portfolio hat, zu fragen, was man denn mitbringen muss, ist so, als fragte man Dracula, ob man was zu trinken dabei haben muss, kommt man abends noch auf ´nen Schluck vorbei.

Und so kam ich – wie zum x-ten Male – zu der Bilderserie wie die Jungfrau zum Kinde. Passte auch gerade, denn ich war damals auf dem Weg ins Studio, um mit einer jungen Dame Fotos zu machen, die eigentlich sonst nie vor einer Kamera ausser vor der ihres Handys zu finden war.

By the way…..Was bei der Damenwelt der Auslöser ist, sich in die fotografischen Hände eines Aktfotografen zu begeben, ist definitiv einen eigenen Beitrag wert. Wenn nicht sogar mehrere. Ich frage mal für Euch und meld mich dann.

An dem Tag war das erste Bild für meine Serie „Come as you are“ quasi schon gemacht, bevor ich überhaupt vor Ort war. Ohne etwas zu erklären stellte ich die etwas überrumpelte und auch eiskalt erwischte Dame in Licht. Eine Minute, zack, fertig.

Verdutzte Augen und die Frage, wann wir denn „jetzt richtig“ Bilder machen, beantwortete ich mit :“Wir sind schon fertig“. Nun war sie noch verdutzter. Zu Recht. Und nachdem ich kurz versicherte, dass wir dann umgehend mit dem eigentlichen Shooting beginnen werden, beschrieb ich ihr meine vorangegangen Gedanken und meinen Plan hinsichtlich der Serie, die daraus entstehen könnte.

Und so ward das Konzept für alle folgenden Geboren. Komm vorbei, wie du gerade bist. Keinerlei Vorbereitung, wie auch immer du magst. Keine Vorgaben, kein Make-up nötig, Stell dich einfach kurz vors Licht. ein Bild. Fertig. Keinerlei Daraufeinlassen. Keine Versuche, auf irgendeine Weise vor der Kamera wirken zu können oder wollen.

Und binnen ein paar Wochen waren über 30 Menschen bei mir, die sich genau darauf eingelassen haben, sich nicht groß drauf einlassen zu können. Oder zu wollen.

Menschen, von denen ich einige tatsächlich vorher nicht mal kannte. Und danach nie wieder gesehen habe. Oder ein sehr guter Freund, den ich über 30 Jahre kenne. Mutter und Töchter. Mutter und Tochter, die nichts davon wussten, dass jeweils die andere schon da war. Aber alle kamen wie sie waren. An dem Tag. In der Minute.

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